Skip to content

Was macht eigentlich eine Archäologische Baubegleitung?

Das wollten wir von Sabine Stoffner wissen. Im Interview erzählt sie uns, was ihr bei der Arbeit am meisten Spaß macht und welche Funde die spannendsten waren.

Lesezeit
2 Minuten

Letzte Aktualisierung
21.2.2024

Sabine Stoffner ist Archäologin und leitet für die Göttinger Firma Streichhardt und Wedekind die archäologische Baubegleitung vor Ort. Für die Wahle–Mecklar-Trasse hat sie die archäologische Baubegleitung in Abschnitt A und B, sowie im Erdkabelbereich von Abschnitt C geleitet.

 

Archäologische Baubegleitung - was bedeutet das eigentlich? Was macht Ihr Team genau?

Wie der Name schon verrät, begleiten wir die Baumaßnahmen rund um den Trassenbau mit unserem archäologischen Team. Im Boden lagern viele archäologische Hinterlassenschaften. Unsere Aufgabe ist es, diese zu dokumentieren und zu bergen. Dafür gibt es verschiedene Verfahren. Mit einer Prospektion im Vorfeld werden wir mit genügend Vorlauf bereits vor dem geplanten Baustart archäologisch tätig. Dort, wo man viele Befunde vermutet, wird zunächst mit einem Bagger der Oberboden abgetragen. Ist das archäologische Niveau erreicht, erkennt man an Verfärbungen im Boden mögliche archäologische Spuren. In den Jahren 2021/2022 waren im Trassenverlauf der Wahle–Mecklar-Leitung bei Göttingen vierzehn Prospektionen auf ausgewiesenen Verdachtsflächen geplant.

Die Baubegleitung findet hingegen auf Flächen statt, auf denen weniger Befunde vermutet werden. Das zuständige Amt nimmt im Vorfeld die Kartierungen vor und liefert dann eine Einschätzung. Wenn die Baumaschinen anrollen, ist dann auch ein Archäologe vor Ort, der die Bodeneingriffe begleitet und die archäologischen Hinterlassenschaften sichert.

 

Und was passiert, wenn archäologische Reste zu erkennen sind?

Erst einmal machen wir die Grabungsfläche „sauber“, indem wir sie mit Kratzen und Kellen putzen. Anschließend fotografieren wir sie. Dann erfolgen ein digitales Aufmaß und eine sorgfältige Dokumentation der Befunde. Weitere Informationen erhalten wir über die Anlage eines Profils: Dazu gehören Angaben zur Tiefe und Form, aber auch zum genauen Aufbau des Befundes. Das Profil wird schließlich fotografiert, gezeichnet und beschrieben. Das Vorgehen sichert die Befundsituation vor Ort und bildet die Grundlage für weiteren Erkenntnisgewinn.

Dazu wird unser Team aufgestockt und wir untersuchen genau, was da im Boden liegt. Vor Ort sind dann meist ein Archäologe, ein Grabungstechniker, Grabungsfacharbeiter oder auch Archäologiestudenten aus bestimmten Fachgebieten. Wir sind manchmal um die zehn Personen vor Ort.

 

Was waren denn die spannendsten Funde?

Ein Highlight war der Mammutstoßzahn, den ein Baggerfahrer bei der Arbeit entdeckt hat. Und wir haben ein mittelalterliches Kinderskelett ohne Beine in der Nähe von Burgdorf gefunden. Es lag auf dem Bauch innerhalb der Verfüllung eines sogenannten Grubenhauses und wurde also nicht regulär bestattet. In der Umgebung von Göttingen haben wir Relikte der Rössener Kultur (Jungsteinzeit) entdeckt, darunter Siedlungsreste mit Hausgrundrissen und Hinweise auf Skelette, die etwas jünger sind.

Blog Wahle - Mecklar Mammutstoßzahn 1

Blog Wahle - Mecklar Mammutstoßzahn 1

Blog Wahle - Mecklar Mammutstoßzahn 2

Blog Wahle - Mecklar Mammutstoßzahn 2

Ein besonderes Highlight: der Fund eines Mammutstoßzahns

 

Welche Dinge finden Sie am häufigsten im Boden?

Am häufigsten finden wir Scherben und Keramikfragmente aus allen Zeiten. Diese sind wichtig für die Datierung. An Befunden sind ehemalige Pfostengruben und Gruben am häufigsten. Aber auch Überreste von Grubenhäusern wurden aufgedeckt. In der Gemarkung Bönnien haben wir Eines aus der Römischen Kaiserzeit gefunden, das ungefähr 2000 Jahre alt ist. Namensgebend für derartige Häuser ist deren Konstruktionsweise: Zunächst hob man eine größere, etwa einen Meter tiefe Grube aus. In diese wurden die Wände gesetzt und im Anschluss ein Dach errichtet. Im Innenraum herrschten so eine gleichbleibende Temperatur und Feuchtigkeit. Das war für die Textilverarbeitung, für die Aufbewahrung von Wolle, zur Kühlung, aber auch für Wohnzwecke von Vorteil. Ein besonderes Fundstück war eine Schere, in einem Stück geschmiedet.

 

Was sind die größten Herausforderungen bei Ihrer Arbeit?

Die äußeren Umstände sind häufig das schwierigste. Regen ist ungünstig, genauso aber auch große Trockenheit – dann ist der Boden steinhart. Mit den Behörden und TenneT arbeiten wir sehr gut zusammen. Auch mit den einzelnen Bauunternehmen finden wir durch gute Kommunikation immer wieder Kompromisse. Grundsätzlich muss man sich mit allen Beteiligten immer wieder absprechen und alles gut koordinieren, damit sich der Bauablauf nicht verzögert.

 

Was gefällt Ihnen besonders an Ihrer Arbeit?

Ich mag vor allem dieses Entdeckerding. Und draußen zu arbeiten, gefällt mir sehr gut. Mit jedem Spatenstich bin ich wieder aufgeregt, denn ich weiß nicht, was im Boden auf mich wartet. Ich erwarte zwar nicht, das nächste Troja zu finden, aber es macht Spaß die einzelnen Puzzleteile, die wir finden, zu einem großen Bild zusammenzusetzen. Es ist immer wieder schön, wenn wir das dann präsentieren können. Meine Tätigkeit vereint körperliche, praktische und wissenschaftliche Arbeit. Unsere Quellen finden wir draußen mit dem Spaten in der Erde. Drinnen am Schreibtisch werden diese dann u.a. mit Hilfe von Literaturarbeit in einen sinnvollen Zusammenhang gebracht. Das ist einfach sehr abwechslungsreich.